Zwischenstand

Ich hänge mich rein. In die Themen Stadtentwicklung, Stadtkultur, Gentrifizierung. Ich habe mein Thema gefunden, und das beackere ich jetzt. Ich hänge mich da so sehr rein, dass ich mir die Frage stellen muss, ob ich zu dem Bereich überhaupt noch journalistisch arbeiten kann, oder ob ich da befangen bin (und bis jetzt bin ich der Meinung: ich kann es noch). Und dann kommt natürlich die weiter gehende Frage: Weshalb mache ich das überhaupt? Ist das eigentlich Meines, bin ich überhaupt legitimiert dazu, als jemand, der von Gentrifizierungsprozessen womöglich sogar profitiert, als jemand, der, tut mir leid, immer noch mehr Kunsttheoretiker ist als Sozialpraktiker, als jemand, der weder persönlich betroffen ist noch etwas Entsprechendes studiert hat? Keine Antwort, bis jetzt.

Im Hamburger Gängeviertel diskutierten heute abend der Künstler Christoph Schäfer, Professorin Ingrid Breckner von der Hafencity Universität und der Soziologe Andrej Holm, Popstar des Gentrification-Diskurses. Es ging um Stadttheorien, um die Idee von Stadt als Unternehmen und um die Funktion von Orten wie dem Gängeviertel als Widerstandsnester gegen solche Vorstellungen. Und am Ende ging es eben auch darum, dass die Stadt Hamburg versucht, diesem Widerstand die Luft rauszulassen, indem sie dem Gängeviertel eine Perspektive bietet. "Worpswede in der Innenstadt" nannte Schäfer das, und Holm stellte im Bezug auf den US-amerikanischen Ökonomen Richard Florida klar, dass Hamburg eben gar nichts gegen ein Biotop für Künstler hat, solange die sich auf die Kunst beschränken und bitteschön keine weiteren Fragen stellen. Während, das sollte auch nicht verschwiegen werden, von links die andere Behauptung kommt: dass die Künstler nämlich grundsätzlich die falschen Fragen stellen würden, dass das soziale Thema von Künstlern gar nicht angesprochen werden könne, während das Thema Genrifizierung hingegen ein rein soziales Thema sei.

Und plötzlich wusste ich, weswegen ich dabei war. Weil nämlich ich mich ebenso wie das Gängeviertel irgendwo dazwischen bewege, irrlichtere, wenn man so will. Soziale Fragen stelle, ohne auf die Kunst verzichten zu wollen, mich mit Kunst beschäftige, ohne das Soziale zu vergessen. Weil ich nicht Fisch bin und nicht Fleisch.

Nachdem die anschließende Diskussion sich plötzlich um Themen wie "Wir müssen uns auch einmal alle fragen, weswegen wir in den großen Ketten einkaufen und nicht in den kleinen Läden", da hatte ich plötzlich keine Lust mehr und ging lieber Kunst gucken. Die war übrigens toll.

Passend zum Thema mal wieder Musik: die leider nicht mehr existenten Kinderzimmer Productions mit "Irgendwo zwischen" (2004):

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Aus der Bandschublade

Die Bandschublade war einmal ein Musikblog. Es ging um Bands, die mir einmal wichtig waren. Bands, die ich vergessen habe. Bands, die mir ein bisschen peinlich sind. Bands, zu denen ich grundsätzlich mal etwas sagen wollte. Bands, die ich heute immer noch gerne höre. Die Bandschublade ist heute: Ein Blog über alles und jedes. Ein Blog über Kunst und Kultur. Ein Blog über Politik. Ein Blog über das Leben in der Stadt. Ein Blog über mich und dich und uns. Und auch ein Musikblog, immer noch. Kommentare sind im Rahmen der üblichen Freundlichkeitsgepflogenheiten erwünscht, natürlich.

Der Autor

Falk Schreiber, Kulturredakteur, Hamburg / Kontakt: falk (dot) schreiber (at) gmx (dot) net / Mehr im Web: Xing, Facebook und Myspace

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