Eine kleine Geschichte des Nationalismus

Als dann klar war, dass Lena Meyer-Landrut den Eurovision Song Contest gewonnen hatte, da stotterte die sympathische junge Frau etwas atemloses in die Kamera, während von hinten jemand kam und ihr eine Deutschlandfahne in die Hand drückte. Die sie im folgenden mehr oder weniger unmotiviert mit sich rumschleppte, ihren harmlosen Song ein weiteres Mal sang und mit dem nationalen Symbol, das von nun ab an ihr hing, augenscheinlich fremdelte.
Am Folgetag dann gab Meyer-Landrut eine Pressekonferenz in Oslo, und sie gab sie auf Deutsch. Weil Deutschland ja auch gewonnen habe. Wir waren befremdet, ließen es ihr aber durchgehen. Westerwelle, übrigens, ließen wir das gleiche nicht durchgehen, warum eigentlich? Gleichzeitig tauchten Bilder auf, auf denen Meyer-Landrut grölte, "Ich liebe deutsche Land", einen Schlager, halbironisches Pidgin-Deutsch, na gut, dachten wir, der Alkohol! Das Testosteron! Ach!
Und seither sehen wir Meyer-Landrut nicht mehr ohne Schwarzrotgold. Sie fremdelt nicht mehr. Jetzt ist sie doitsch, endgültig.
Das Marxblog hat übrigens sehr hübsch dokumentiert, wo dieses Doitsche zur gleichen Zeit hinführte. Es ist widerlich: Die dünne Schicht Zivilisation und Kultur ist in diesem verabscheuungswürdigen Land so brüchig, es braucht nur eines marginalen Anstoßes, eines Schlagerwettbewerbs, dass sie verschwindet. Ich hoffe inständig, dass Doitschland bei der Fußball-WM sehr, sehr früh ausscheidet, echt.

(Und bei Gelegenheit schreibe auch mal wieder was sinnvolles. Über Israel und Gaza. Oder so.)

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Die Bandschublade war einmal ein Musikblog. Es ging um Bands, die mir einmal wichtig waren. Bands, die ich vergessen habe. Bands, die mir ein bisschen peinlich sind. Bands, zu denen ich grundsätzlich mal etwas sagen wollte. Bands, die ich heute immer noch gerne höre. Die Bandschublade ist heute: Ein Blog über alles und jedes. Ein Blog über Kunst und Kultur. Ein Blog über Politik. Ein Blog über das Leben in der Stadt. Ein Blog über mich und dich und uns. Und auch ein Musikblog, immer noch. Kommentare sind im Rahmen der üblichen Freundlichkeitsgepflogenheiten erwünscht, natürlich.

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Falk Schreiber, Kulturredakteur, Hamburg / Kontakt: falk (dot) schreiber (at) gmx (dot) net / Mehr im Web: Xing, Facebook und Myspace

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