Sonntag, 8. März 2009

Phantom/Ghost

Es brauchte seine Zeit, bis ich Phantom/Ghost richtig einordnen konnte. Nach der ersten Platte 2001 hatte ich noch den Eindruck, Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow und Superpunk-Keyboarder Thies Mynther wollten die Hausse der deutschen Indieelektronik nicht tatenlos an sich vorbei ziehen lassen und eine Hamburg-Berliner Notwist-Platte aufnehmen. Nach "To Damascus" (2003) dachte ich, es ginge hier tatsächlich um ein bildungsbürgerliches Programm, Kunst und Theater und Ernst als Bekenntnis. Nach "Three" (2006) war ich plötzlich der Meinung, Phantom/Ghost seien irgendwo zwischen Märchen, Folk und Horror gelandet, ernst nehmen konnte ich das nicht mehr wirklich.
Demnächst erscheint "Raise the dead", und mittlerweile wird immer deutlicher, dass Phantom/Ghost all das sind und noch viel mehr: Sie sind Kunst. Sie sind ein großer Witz. Sie sind ernst. Sie sind Horror. Das geht alles zusammen, die Trash-Bezüge und der Camp, wenn von Lowtzow theatralisch seine Stimme brechen lässt, wenn sie auf der Bühne eine Flasche Sekt köpfen, wenn diese Musik in all ihrem verfallenden Glamour kenntlich wird.
Und nicht nur das: Phantom/Ghost strahlen aus auf die Stammbands von Mynther und von Lowtzow. Natürlich können Superpunk weiter ihren stumpfen Northern Soul pflegen, natürlich können Tocotronic weiterhin konventionellen Indierock spielen, weil durch Phantom/Ghost klar ist: Es gibt mehr, hinter dieser dünnen Schicht der Konvention versteckt sich unüberschaubar viel schon leicht angeschimmelter ... Plüsch. Uneindeutig, verrätselt, campy.
Kunst, sicher. Weswegen der Text zu Phantom/Ghosts Relax, it's only a ghost (2006) auch 1:1 im Katalog der jüngsten documenta auftauchte. Zum Werkraum Cosima von Bonins, zu wem sonst. Konzeptkunst, Überfülle, Verfall.

Relax Its Only A Ghost

Aus der Bandschublade

Die Bandschublade war einmal ein Musikblog. Es ging um Bands, die mir einmal wichtig waren. Bands, die ich vergessen habe. Bands, die mir ein bisschen peinlich sind. Bands, zu denen ich grundsätzlich mal etwas sagen wollte. Bands, die ich heute immer noch gerne höre. Die Bandschublade ist heute: Ein Blog über alles und jedes. Ein Blog über Kunst und Kultur. Ein Blog über Politik. Ein Blog über das Leben in der Stadt. Ein Blog über mich und dich und uns. Und auch ein Musikblog, immer noch. Kommentare sind im Rahmen der üblichen Freundlichkeitsgepflogenheiten erwünscht, natürlich.

Der Autor

Falk Schreiber, Kulturredakteur, Hamburg / Kontakt: falk (dot) schreiber (at) gmx (dot) net / Mehr im Web: Xing, Facebook und Myspace

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