Weihnachtsgeschichte

Dienstag, 29. Dezember 2009

Weihnachtsgeschichte, sechstens: Heiligabend

Zu Teil 1 geht es hier.

Die Bewertungen fürs Restaurant im Web sind beunruhigend. Das Essen behaupte Sternequalität, die nie eingelöst werde, die bestenfalls durchschnittliche Weinkarte sei überteuert, die Kellner arrogant. Schließlich das: Im Games Room prange ein Hakenkreuz an der Wand, und auch auf Ansprache bemühe sich niemand vom Personal, dieses zu entfernen.
Die Wirtin gefragt: "Ist denn der Brückenwirt empfehlenswert? Die Wirtin druckst, sie wolle uns ja nichts verderben, hmm, beim Brückenwirt wechsle das Personal sehr häufig vielleicht haben sie ja mittlerweile einen guten Koch, nur soviel: Es hätte bessere Alternativen gegeben. Wir sind entsetzt.
Und dann ist der Brückenwirt teuer, klar, es ist Heiligabend. Und sonst: nichts. Wohlschmeckend, freundlich, man hat den Eindruck, hier als Gast gerne gesehen zu sein. Nein, für diesen Blogbeitrag ist kein Bestechungsgeld geflossen.
Ich spähe in den Games Room. Kein Hakenkreuz zu entdecken, dafür spielende Kinder.
DSC01373
Die Wirtin hätte ja die Brauereigaststätte empfohlen, unterm Dach des Brauturmes, mit Blick über die gesamte Stadt. Mit Blick über St. J. in T., die Metropole des Wilden Kaisers. Wir blicken und lästern. Und essen, die Mutter und die Schwester sind enttäuscht, bei mir geht so. Außerdem wird auch hier geraucht. Und alle so: geht so.

Fin.

Weihnachtsgeschichte, fünftens: Berg

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berg

Der Berg ist knapp 2000 Meter hoch. Man kennt ihn von der Westseite, hier liegt Kitzbühel, Sehnsuchtsort der Münchner SUV-Fahrer, nach dem er auch benannt ist, und wo die bekanntesten Skipisten liegen. Allerdings, auch von St. J. führen Seilbahnen bis ungefähr 300 Meter unter dem Gipfel, nicht besonders überlaufen, ab dem frühen Mittag im Schatten liegend, aber immerhin.
berg1
Mit der Seilbahn kann man: für viel Geld nach oben fahren. Dort feststellen, dass es Schnee gibt, der mehr ist als nass und matschig, der mehr ist als grau, der nämlich strahlend weiß ist und locker, der kalt ist, wenn er über den Stiefelschaft rieselt, der aber nicht klebt und der im Stiefel einfach friedlich verschwindet. Dann kann man Sprünge machen, bergab, die Skipiste hinunterrutschen und über die Piste weg in den Wald, man kann Schnee treten und einatmen, und dann spürt man die kalte, klare Luft in den Lungen.
Und das ist dann: schön.

To be continued.

Weihnachtsgeschichte, viertens: Konzert

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Von außen: ein typisches Großelterncafé, bisschen plüschig, bisschen in die Jahre gekommen, wahrscheinlich mit gutem Kuchen. Innen: ein vollgequalmtes Vorzimmer, wir sitzen im Raucherraum. Überhaupt, Raucherraum: Durch eineinhalb Jahre Nichtraucherschutzgesetz habe ich mich zu einem Asketen entwickelt, den es massiv stört, dass in diesem Land in jeder Gaststube gequarzt werden darf, egal ob jemand isst oder nicht. Wir ziehen weiter ins Café, ein weiterer Raucherraum, dann noch ein Zimmer, nein, kein Zimmer: ein Saal. Mit Tanzfläche. Und Lichtorgel. Der Kaffee schmeckt nicht, die Menschen sind laut, außerdem habe ich den Eindruck, dass es auch hier, in der Nichtraucherzone, stinkt.
Und dann tritt die Band auf. Tanztee, nein: Weihnachtsmelodien.

konzert

Die Band, das ist: ein älterer Herr mit längeren, schütteren, vor allem aber gefärbten Haaren im roten Hemd. Und eine unglaublich dünne, unglaublich langbeinige Schönheit. Die spielen jetzt hier auf, oder was? Das Café füllt sich, anscheinend kommen Gäste extra wegen dieses Auftritts, das Rothemd baut eine Batterie aus Keyboard, Sampler und Heimorgel auf, die Schönheit steht missmutig da. Irgendjemand hat ihr wohl gesagt, sie solle sich schon mal fertig machen und auf die Bühne, dabei ist als Beginn 15.30 angesetzt, und wir haben noch nicht einmal drei. Rothemd lacht, Schönheit muffelt.
Dann spielen sie. Eine Elvis-Schnulze, Jingle Bells, Little Drummer Boy. Rothemd schmalzt, lässt die Hawaiigitarre sülzen, haut billigste Drumbeats raus, Schönheit jubiliert in höchsten Tönen. I’m dreaming of a white christmas. Es ist grauenhaft. Findet das Publikum so etwas schön? Das Publikum reagiert nicht, eine träge Masse, einzig ein paar Kinder entern die Tanzfläche und hüpfen, begeistert davon, dass hier etwas passiert, wenigstens etwas. Schönheit jubiliert, lächelt kalt, zack, die Mundwinkel wieder nach unten. Schönheit kann auf jeden Fall singen, ich nehme an, ein Après-Ski-Nachmittag im Dorfcafé gibt auch ganz schön Kohle, ein Nachmittag mit Weihnachtsmelodien wahrscheinlich gleich noch einen Batzen mehr, aber trotzdem: Ob sie sich ihre Zukunft so vorgestellt hat, mit ihrer unüberhörbar talentierten und ausgebildeten Stimme, mit ihren endlosen Beinen? Ich überlege, in welcher Beziehung sie zum mindestens doppelt so alten Rothemd steht, der von Anfang an klar stellt, dass er der musikalische Kopf hinter dem Duo ist und sie nur das schmückende Beiwerk mit, zugegeben, guter Stimme. Und jetzt ein bisschen was Weihnachtliches. Es ist die Hölle.

To be continued.

Weihnachtsgeschichte, drittens: Quartier

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Das Quartier ist ein Neubau, ein wenig versetzt hinter der Hauptstraße, eigentlich ein holzverarbeitender Betrieb, der auch noch ein paar Zimmer vermietet. Wir haben Weihnachten, der gesamte Ort ist ausgebucht, nur hier gibt es noch freie Zimmer. Und, wie schön!, sogar Einzelzimmer, und das nicht einmal zu Mondpreisen. Warum aber: Einzelzimmer?
Deswegen: Gerne beherbergen wir auch Wanderer vom Jakobsweg, verspricht unsere Wirtin per Mail. Zweisamkeit schätzt man auf dem Jakobsweg nicht, daher die Einzelzimmer. Übriger Komfort scheint dort aber ebenso als überflüssiger Tand zu gelten, die Zimmer sind enge Kammern mit unbequemen, zu kleinen Betten, zu wenig Steckdosen, einem Kleiderschrank, der nicht schließt und hässlichem Laminatboden. Immerhin, es gibt kleine Bäder, sogar mit warmem Wasser. An ein offenes W-Lan ist, natürlich, nicht zu denken.

quartier

Man mag das aber auch anders sehen. So: Das Hotel ist kein Hotel, es ist, höchstens, eine Pension. Eigentlich ein Wohnhaus, das ein wenig zu groß geraten ist. So scheint man das hier zu machen: Das Haus zwei, drei Zimmer größer bauen als es die Familie nötig hätte, und wenn dann klar ist, dass die Familie nicht mehr größer wird, diese zwei, drei Zimmer tageweise an Touristen vermieten. Die sind dann die Familie.
Das ist das Alleinstellungsmerkmal des Quartiers: Man hat Familienanschluss. Die Wirtin ist immer um einen, redet und redet und ist hemmungslos nett. Mal auch verpeilt, mal lustig, mal selbstironisch, Spitzen verschießt sie, die nennt sie dann Schmäh. Man kann nicht anders als ihr zu verfallen.

To be continued.

Weihnachtsgeschichte, zweitens: Dorf

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Das Dorf ist kein Dorf, es ist eine Kleinstadt. St. J. hat, immerhin, knapp 9000 Einwohner und ist damit die größte Stadt des Bezirks, mit (hauptsächlich holzverarbeitender) Industrie, Bahnanschluss, Krankenhaus und einem alle übrigen Gebäude überragenden Brauereiturm. Und natürlich einer die lokale Ökonomie prägenden Tourismusbranche, es gibt Hotels, Gaststätten, ein (mäßig großes) Skigebiet. Kein einsames Bergbauerndorf.

dorf

St. J. ist eine Stadt, die sich breit ins Tal fläzt, ein Tal, das Raum lässt für Felder und monströse Verkehrsanlagen, sogar für einen kleinen Flugplatz haben sie Fläche frei gelassen. Ich hatte mir die Landschaft anders vorgestellt, Bergtäler haben nach meinem Verständnis eng zu sein, düster und felsig. Hier aber könnte man kilometerweit eben laufen, bis man auf den ersten Berg stößt. Und dann eben: Berge. Wälder, Matten, gekrönt von einem Felsmassiv, das sich nicht anders benennen lässt als atemberaubend. Später erfahre ich: Wir haben es hier mit einem Postkartenmotiv zu tun.

To be continued.

Weihnachtsgeschichte, erstens: Idee

Weihnachten 2008 ist arg. Weihnachten 2008 ist der Krebs beim Vater schon so weit fortgeschritten, dass Normalität nicht mehr möglich ist.
Heiligabend will er Gans, obwohl es bei uns nie Gans zu Weihnachten gibt, egal, soll er bekommen, er behält nichts bei sich, es ist arg.

fahrt Einen Monat später stirbt der Vater.

Es gibt keine Normalität mehr, es soll nie wieder Normalität geben. Die Beerdigung wird durchgezogen, schlimm, wie im Rausch, ein Jahr später ist die Erinnerung immer noch da. Das darf so nicht sein, wir können Weihnachten nicht weiter machen wie zuvor, also beschließen die Schwester und ich, mit der Mutter fortzufahren. Raus aus der Erinnerung, raus aus der Familie. Ob St. J. in T. die beste Entscheidung ist? Viel Wahl haben wir nicht, die Schwester hat ohnehin nur die Feiertage über frei, an Weihnachten ist die nähere Umgebung weiträumig ausgebucht, es geht also nicht weiter weg, und Österreich liegt ja in Tagesreisenentfernung.

fest

Am Vortag fliege ich zur Mutter, um an Heiligabend die Schwester mit dem Auto in München einzusammeln. Mit dem Auto: Ist die Autobahn eigentlich glatt? Sieht man im Nebel eigentlich die Hand vor Augen? Plusgrade: Es taut, gleichzeitig ist der Boden gefroren, ein Himmelfahrtskommando. Pünktlich in München reißt der Himmel auf, kein Nebel mehr, ein Kinderspiel.

To be continued.

Aus der Bandschublade

Die Bandschublade war einmal ein Musikblog. Es ging um Bands, die mir einmal wichtig waren. Bands, die ich vergessen habe. Bands, die mir ein bisschen peinlich sind. Bands, zu denen ich grundsätzlich mal etwas sagen wollte. Bands, die ich heute immer noch gerne höre. Die Bandschublade ist heute: Ein Blog über alles und jedes. Ein Blog über Kunst und Kultur. Ein Blog über Politik. Ein Blog über das Leben in der Stadt. Ein Blog über mich und dich und uns. Und auch ein Musikblog, immer noch. Kommentare sind im Rahmen der üblichen Freundlichkeitsgepflogenheiten erwünscht, natürlich.

Der Autor

Falk Schreiber, Kulturredakteur, Hamburg / Kontakt: falk (dot) schreiber (at) gmx (dot) net / Mehr im Web: Xing, Facebook und Myspace

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