Establishment

Jetzt wird es, natürlich, anstrengend. Im Gängeviertel ist der Prozess der Etablierung voll im Gange, der Investor hat endgültig das Gelände an die Stadt zurückverkauft, und die vor einem Monat angefangene Diskussion, inwiefern die im Gängeviertel ansässigen Künstler eigentlich in den Zusammenhang Gentrifizierung-Stadtmarketing-Stadtrückeroberung eingebunden sind, ist von einem Tag auf den anderen in die Praxis geworfen.

Denn jetzt geht es weniger um Fragen nach einer lebenswerten Stadt, jetzt geht es weniger darum, wie man sich mit unterschiedlichen, von der Unternehmerstadt marginalisierten Gruppen solidarisieren kann, jetzt geht es darum, sich unverzichtbar zu machen. Den Leuten zu beweisen, dass der Vertrauensvorschuss, den die Sympathien der Bevölkerung für die Gängeviertel-Besetzung bedeuteten, kein Fehler war. Auch: dafür zu sorgen, dass einen das Stadtmarketing nicht ausnutzt, dass man nicht doch am Ende nur der Clown ist, der gehen kann, sobald man ihn nicht mehr benötigt. Ironie: Heute diskutierten im Gängeviertel der Soziologe Volker Kirchberg (Uni Lüneburg) und Amelie Deuflhard, Intendantin des Kulturzentrums Kampnagel. Gerade Deuflhard aber weiß, um was es hier geht: 1982 wurden die ehemaligen Fabrikhallen des Kranbauers Kampnagel von Künstlern besetzt, nach und nach entwickelte sich hier ein regelmäßiger Theaterbetrieb, der schließlich von der Stadt legalisiert, subventioniert und zu dem international bekannten Kulturzentrum wurde, dem Deuflhard heute nicht ohne Erfolg vorsteht. Und dabei sowas von Establishment geworden ist.

Kampnagel hat den Weg von der kriminellen Stadtraumaneignung zum etablierten Kulturort geschafft, allerdings zum Preis der sozialen Verortung. Ob dem Gängeviertel Ähnliches bevor steht, hängt nicht zuletzt davon ab, wie engagiert dieses Problem diskutiert wird. Konkret: Die Besetzung des Gängeviertels hatte in Hamburg eine umfassende Mobilisierung verschiedener Initiativen zur Folge, die sich einzig im Kampf um eine nicht ausschließlich kommerziellen Interessen unterworfene Stadtplanung berühren. Organisiert waren diese Initiativen, darunter auch das Gängeviertel, im losen Netzwerk "Recht auf Stadt". Auf deren Website war zumindest heute abend noch keine Glückwunschadresse an die erfolgreichen Besetzer zu lesen.

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Die Bandschublade war einmal ein Musikblog. Es ging um Bands, die mir einmal wichtig waren. Bands, die ich vergessen habe. Bands, die mir ein bisschen peinlich sind. Bands, zu denen ich grundsätzlich mal etwas sagen wollte. Bands, die ich heute immer noch gerne höre. Die Bandschublade ist heute: Ein Blog über alles und jedes. Ein Blog über Kunst und Kultur. Ein Blog über Politik. Ein Blog über das Leben in der Stadt. Ein Blog über mich und dich und uns. Und auch ein Musikblog, immer noch. Kommentare sind im Rahmen der üblichen Freundlichkeitsgepflogenheiten erwünscht, natürlich.

Der Autor

Falk Schreiber, Kulturredakteur, Hamburg / Kontakt: falk (dot) schreiber (at) gmx (dot) net / Mehr im Web: Xing, Facebook und Myspace

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