Dienstag, 13. Januar 2009

Saalschutz

Ende der Neunziger verabschiedete ich mich von Indie, von Punk, von Rock. Rock war tot, Rock war reaktionär. Und was die Punks da machten, war auch Rock, gefangen in der faschistoiden Songstruktur, nur mit schlechter PA und grottigen instrumentalen Fähigkeiten. Ich begann, zunächst Techno zu hören, später dann Frickelelektronik. Und verdrängte, dass mir etwas fehlte.

Denn natürlich stimmte das alles gar nicht. Ja, Songstrukturen sind Gefängnisse, die die Gefahr birgen, dass man sich in ihnen bequem einrichtet, wieder und wieder das Gleiche produzierend. Aber einerseits heißt das noch lange nicht, dass sie faschistoid seien, man muss nur darauf achten, dass sie nicht langweilig werden. Und andererseits sind das Gefahren, die in der elektronischen Musik genauso drohen, man muss nur mal horchen, welch konventionelle Langweile Techno mittlerweile ausstrahlt.

Auftritt Saalschutz, zwei Zürcher Punks, die die schlecht gestimmten Gitarren durch heftigst übersteuerte Sampler ersetzt haben. Exzess, Hardcore: "Gesamtwerk verbrannt, Gesamtwerk verbrannt!/Eines Tages sterbe ich mit dem Sequenzer in der Hand" (aus "Lied mit den Suggestivfragen", 2006). Gleichzeitig, bei aller Überdrehtheit, ein genaues Wissen darum, wie die beschriebene Welt tickt: "Ich fragte sie, ob sie was von Kunst weiß./ Sie sagte mir: ,Ich bewege mich im entsprechenden Dunstkreis'" (aus "Leerer, inhaltsloser Ausdruck", 2004). Zwei CDs bislang, Elektropop, Eighties-Anleihen, Techno, HipHop, French House. Alles darf, nichts muss.
Saalschutz geht es um Spaß an der Abfahrt, das ist Techno. Saalschutz geht es um die politische Brisanz des Dillettantismus, das ist Punk. Saalschutz geht es um die Möglichkeiten, die ein grenzenloser Zugriff auf jedes musikalische Genre ermöglicht, das ist das 21. Jahrhundert. Kein Schwarz, kein Weiß, keine Grenzen mehr. Ein kleines Meisterwerk: Richtige Deejays aus der charmanten zweiten Saalschutz-CD "Saalschutz macht's möglich" (2006).

Saalschutz - Richtige Deejays

Aus der Bandschublade

Die Bandschublade war einmal ein Musikblog. Es ging um Bands, die mir einmal wichtig waren. Bands, die ich vergessen habe. Bands, die mir ein bisschen peinlich sind. Bands, zu denen ich grundsätzlich mal etwas sagen wollte. Bands, die ich heute immer noch gerne höre. Die Bandschublade ist heute: Ein Blog über alles und jedes. Ein Blog über Kunst und Kultur. Ein Blog über Politik. Ein Blog über das Leben in der Stadt. Ein Blog über mich und dich und uns. Und auch ein Musikblog, immer noch. Kommentare sind im Rahmen der üblichen Freundlichkeitsgepflogenheiten erwünscht, natürlich.

Der Autor

Falk Schreiber, Kulturredakteur, Hamburg / Kontakt: falk (dot) schreiber (at) gmx (dot) net / Mehr im Web: Xing, Facebook und Myspace

Aktuelle Beiträge

Nein, Liebste, das hat...
Manchmal, in langen Beziehungen, springt man zur Seite,...
zahnwart - 20. Jun, 17:37
Richtersprüche
Daniel Richter zieht um. Nun gut, es ist noch keine...
zahnwart - 19. Jun, 15:52
Bedways
Okay, Filme über Sex, das ist so eine Sache. Weil...
zahnwart - 14. Jun, 12:50
Wir Nazienkel
Politische Psychologie ist eine eigenartige Disziplin....
zahnwart - 11. Jun, 13:36
Eine kleine Geschichte...
Als dann klar war, dass Lena Meyer-Landrut den Eurovision...
zahnwart - 3. Jun, 21:30

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 5625 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 20. Jun, 17:37

Credits