Nach drüben

Ich mag ja den Flix, also, als Comiczeichner, meine ich. Weil er einen guten Blick für Alltagssituationen hat, weil sein Strich unspektakulär ist aber genau, weil er über Männer-Frauen-Pärchensituationen Witze machen kann, die ziemlich lange Bärte haben, und trotzdem denkt man dabei nicht an Mario Barth, sondern an Loriot. Flix ist ein Guter, wirklich.
Aber natürlich ist Flix kein Subversiver. Oder er ist so rafiniert subversiv, dass ich nichtmal mitbekomme, wie er auch mich unterwandert, aber das glaube ich nicht. Vielmehr glaube ich, dass Flix un-vor-stell-bar affirmativ ist. Der will gemocht werden, der will dazu gehören. Womit Flix das Gegenmodell zum ebenfalls verehrten Mawil ist, der eigentlich immer nur zeichnet, wo er überall nicht dazu gehört. Mawil und Flix, das sind zwei Enden einer Skala, und beide Enden schätze ich auf ihre Weise.

Nun ist es so, dass Flix vor einiger Zeit begonnen hat, Interviews zu führen über das Verhältnis heutiger Thirtysomethings zur DDR. Und aus diesen Interviews hat er dann Comics gemacht, zunächst für eine Serie im Berliner Tagesspiegel, später dann für ein Buch namens "Da war mal was ...". Und für eine Ausstellung, organisiert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Und für Unterrichtsmaterialien, die von besagter Stiftung kostenlos an Lehrer und Erzieher verteilt werden. Ganz schön staatstragend, das.
Andererseits, staatstragend, gut und schön: Ich mochte die Herangehensweise von Flix, ich mochte den bitteren Humor, ich mochte den Dreh, konkrete Geschichte ohne Belehrung, ohne erhobenen Zeigefinger lebensnah im Comic zu verarbeiten. Dass ich in der Bewertung der DDR häufig eine andere Meinung habe als die in den "Da war mal was ..."-Episoden formulierte: Sei es drum. Wenn man schon nach Vorteilen des bundesrepublikanischen Systems im Vergleich zur DDR suchen muss, dann doch wohl das: Hier ist es erstmal kein Problem, wenn zwei Menschen unterschiedlicher Meinung sind, solange sie weiterhin zivilisiert miteinander umgehen. Zum Beispiel, wenn das Gegenüber so gute Umgangsformen hat wie Flix.

Nun geht "Da war mal was ..." aber weiter. Sporadisch erscheinen neue Folgen im Web, und die jüngste hat mich erschrocken. Der Protagonist gerät hier auf eine Versammlung Ewiggestriger, die betonen, dass in der DDR nicht alles schlecht gewesen sei und kommentiert das mit

"Wie krass, dachte ich. Das Leugnen der Verbrechen im Nationalsozialismus steht unter Strafe, aber das Leugnen der Verbrechen im Sozialismus nicht."

Harter Tobak. Wobei Flix für den natürlich nicht angreifbar ist, weil: Ist ja nicht er, der hier spricht. Ist ja ein Interview, ist ja Rollenprosa. Auf keinen Fall würde Flix den Nationalsozialismus mit der DDR gleichsetzen, oder?
Nein, glaube ich wirklich nicht. Flix ist kein Rechter. Bei den Gestalten, die die Episode in den Kommentaren hochjubeln, bin ich mir allerdings nicht so sicher. Wer hier von "Beste Folge für mich bisher!!! Grandios! Hoffe die kommt in der erweiterten Auflage mit rein … dann würd ich mir auch nochmal die 2. Auflag kaufen. Allein dafür!!" (sic) schwärmt, will meines Erachtens nach nur eines: einen echten Austausch verhindern, die DDR als Unrechtsstaat auf ewig in den Geschichtsbüchern verankern, jedes relativierende Bild als Geschichtsrevisionismus verdammen.
Flix unternimmt nichts gegen diese Jubelperser, da bin ich vielleicht wirklich traurig. Ein kurzer Kommentar wie "NS-DDR-Vergleiche gehen gar nicht" oder so hätte mir gereicht. Der kommt aber nicht. Wird man so, wenn man immer dazu gehören will, wenn man der Nette ist, wenn man immer affirmativ ist? Hat man dann nicht einmal etwas dagegen, wenn Rechte einem auf die Schultern klopfen, solange sie nicht Bomberjacke und Springerstiefel tragen, sondern Säuseleien wie "Gänsehaut! Wahnsinn…" auf den Lippen?

Enttäuscht.

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Aus der Bandschublade

Die Bandschublade war einmal ein Musikblog. Es ging um Bands, die mir einmal wichtig waren. Bands, die ich vergessen habe. Bands, die mir ein bisschen peinlich sind. Bands, zu denen ich grundsätzlich mal etwas sagen wollte. Bands, die ich heute immer noch gerne höre. Die Bandschublade ist heute: Ein Blog über alles und jedes. Ein Blog über Kunst und Kultur. Ein Blog über Politik. Ein Blog über das Leben in der Stadt. Ein Blog über mich und dich und uns. Und auch ein Musikblog, immer noch. Kommentare sind im Rahmen der üblichen Freundlichkeitsgepflogenheiten erwünscht, natürlich.

Der Autor

Falk Schreiber, Kulturredakteur, Hamburg / Kontakt: falk (dot) schreiber (at) gmx (dot) net / Mehr im Web: Xing, Facebook und Myspace

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