Schubladendenken

Sonntag, 14. Dezember 2008

Nick Cave & the Bad Seeds

Ach ja, Nick Cave & the Bad Seeds. Allzu exhibitionistisch sollte dieses Blog ja nicht geprägt sein, also belasse ich es bei einer Andeutung: Es ist meiner Meinung nach ziemlich Glam, wenn man zu The Weeping Song von Nick Cave und Blixa Bargeld entjungfert wird. Außerdem möchte ich mir gar nicht vorstellen, wo mein Geschmack heute wäre, hätte ich damals etwas anderes aufgelegt. (Was hörte ich 1990 denn sonst so? The Mission?)

Heute, das nur der Vollständigkeit halber, mag ich Herrn Cave gar nicht mehr so gern.

Samstag, 13. Dezember 2008

PJ Harvey

Zwei konzertunerfahrene Jungs fahren durch die Nacht. Erst mit dem Regionalzug, dann mit der S-Bahn, in der Frankfurter Batschkapp spielt Polly Jean Harvey. Wird teuer, ist egal, sagt der eine, PJ Harvey, das wird ganz großartig, das ist sexy und düster und hart. Ganz großartig.
Das ist ausverkauft.
Wie konnte man denn ahnen, dass dieses Konzert ausverkauft ist? PJ Harvey, wer sollte die denn kennen, das war doch Spezialistenmusik, das war doch dunkler Gruftkam, unversöhnlich, rauh. Gut, es war 1995, vor kurzem war "To bring you my love" erschienen, inklusive des Beinahe-Hits "Down by the water", aber trotzdem: ausverkauft? Ein Blick in den Nightliner vor der Halle, eine rabenartige Gestalt blinzelt zurück, wir haben PJ Harvey gesehen, Hurra! Im Vorprogramm spielte übrigens Tricky, von dem ich damals noch nichts gehört hatte, den ich aber wenige Wochen später von Herzen verehrte, auch verpasst, ach. Zwei konzertunerfahrene Jungs fahren zurück, durch die Nacht, erst mit der S-Bahn, dann mit dem Regionalzug. Später trinken sie zuviel Wodka.

Polly Jean Harvey blieb mir. Vom indiekonventionellen Debütalbum "Dry" (1992), das ich mir auf Grund einer Kurzrezension im Stern gekauft hatte (ein Argument für guten Kulturjournalismus!) über rumpeligen LoFi-Rock ("Rid of me", 1993), Gruftglamour ("To bring you my love", 1995), Düster-Elektro ("Is this desire?", 1998), Rockrockrock ("Stories from the city, stories from the sea", 2000) und Blues ("Uh huh her", 2004) bis zu den Pianoballaden von "White chalk" (2007) vollzog sie jede Wendung meines musikalischen Geschmacks ein wenig vor mir, so dass ich mir jede neue Platte erst schmerzhaft zurechthören musste. Was blieb: ein tiefes Misstrauen gegenüber fest gefügten Formen. Eine Freude an der De(kon)struktion. Eine Leidenschaft, die viel mit persönlichem Leiden zu tun hat.

Perfektes Beispiel für diese festen Größen im Werk von PJ Harvey ist The Letter aus dem kalt zersplitterten Bluesalbum "Uh huh her" (2004), ein Album, das übrigens mit einem ganz unangenehmen Kopierschutz versehen ist, weswegen ich es nicht auf meinen MP3-Player bekomme und entsprechend stiefmütterlich behandle. Hat die Platte nicht verdient.

Freitag, 12. Dezember 2008

Olli Schulz

Olli Schulz ist ein Schwätzer. Schwätzer, die gibt es in jeder sozialen Gruppe, meist, nein: immer Jungs, die nicht aufhören können zu reden, die Gutes reden, Kluges, Lustiges, aber immer zu viel. Jeder freut sich, wenn der Schwätzer auf der Party dabei ist, aber niemand ist wirklich befreundet mit ihm. Weil der Schwätzer auf Dauer auch kollossal nervt, er ist überdreht, er ist zu laut, er geht auf Pointe, selbst dort, wo gar keine Pointe ist.
Seit 2003 tritt Olli Schulz live auf. Gewitzte Texte, ausufernde Ansagen, dazu Gitarre, passt doch. Wenn man übersieht, dass Schulz mit gewitzten Texten eigentlich gar nichts am Hut hat. Manchmal gibt es überraschende Wendungen, gut, aber meist sind die Texte seiner Songs traurig, melancholisch, bei der 2006er-Platte "Warten auf den Bumerang" konnte man schon fast von Depression reden. Die Liveauftritte sahen also zunächst so aus: Mensch mit Akustikgitarre und zurückhalteder Backingband "Der Hund Marie" spielte traurige Songs, und zwischen den Songs erzählte er lustige Anekdoten. Und wenn er gut drauf war, dann dauerten die Zwischenansagen deutlich länger als die Songs. War kein schlechtes Konzept.
Aber Olli Schulz kommt aus einer ganz bestimmten Szene: Lange war er Stagehand in diversen Reeperbahnclubs, da hat man es nicht mit Zurückhaltung, da hat man es auch nicht mit genresprengendem Grenzgängertum zwischen Comedy, Rock und Literatur. Da steht man aufs Erfüllen von Konventionen und auf handwerkliches Können. Und, damit wir uns nicht falsch verstehen: Schulz ist ein ordentlicher Gitarrist. Schulz weiß, wie Songs aufgebaut zu sein haben. Der passt da nicht schlecht rein, in diese Szene.
"Der Hund Marie" bestand zu guten Teilen aus der Hamburg-Berliner Band Tomte, grundsympathische Jungs, die sich aber sicher nicht auf die Fahnen schreiben würden, das Selbstverständnis des Rock neu erfunden zu haben. Mittlerweile spielt Schulz viel mit Home of the Lame. Home of the Lame haben die Konventionalisiserung des Schulz-Sounds noch ein wenig weiter getrieben, mit Chorgesang, konsequent auf Moll gespielten Gitarren, Ironieverweigerung. So etwas findet man in der Olli-Schulz-Welt gut. Was man auch gut findet: Wenn man vor vollem Haus spielt. Ganz egal, wer dieses Haus füllt.

Die Goldenen Zitronen haben im Dokumentarfilm "Übriggebliebene Ausgereifte Haltungen" sehr schön beschrieben, dass eine Motivation für ihre Entwicklung vom Funpunk zum Diskursrock war, die Oberlippenbartträger aus ihren Konzerten zu drängen. Bei Leuten wie Olli Schulz dagegen ist es egal, wer im Publikum steht, Hauptsache, er steht da. Vielleicht ist das gar nicht schlimm, irgendwo müssen die Oberlippenbärte ja hin. Aber mir darf man es auch nicht verdenken, dass ich mich nicht so wohlfülle, in einem Publikum, das a) unbedingt witzige Geschichten hören möchte und b) auf musikalische Innovation eher weniger Wert legt.

Allerdings: Mit einzelnen Songs ist Olli Schulz unschlagbar. Zum Beispiel Der Moment aus dem Debüt "Brichst du mir das Herz, brech ich dir die Beine" (2003). So schön könnte Formatradio sein.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Bon Jovi

Ja, schon klar. Bon Jovi. Peinlich. Male-white-heterosexual-corporate rock. Ganz übel. Männer mit schlimmen Frisuren, engen Hosen, jaulenden Gitarren, brünftigen Stimmen. Nichts will ich damit zu tun haben.
Aber, doch, ich habe. Ich habe. 1986 erschien "Slippery when wet", eine ideenarme Hair-Metal-Platte, die für mich damals leider das Nonplusultra an Energie darstellte. "Shot to the heart!", ein Brüllen, ein knallendes Schlagzeug, "You're to blame!", übersteuerte Gitarren, produktionstechnisch sowas von State of the art, "Baby, you give love a bad name" Wo-hoo! Eine arge Platte, aber, um ehrlich zu sein, ein Meisterwerk im Vergleich zu dem, was Bon Jovi in der Folge ablieferten. Denn es folgten: Kitschballaden, Country für Arme, grauenhafte Ambitionen als Schauspieler, Modelehen, Modelscheidungen, Alkoholprobleme, politisches Engagement für Kerry und später Obama (wenigstens das). Heute: yellow press.
Was dabei verloren geht: dass Bon Jovi auch einzelne, seltene Sternstunden hatten. Sehnsüchtige, laute, rauhe Songs, bei der das Sentiment noch nicht zum Kitsch verfettete. Songs wie Wanted dead or alive, von "Slippery when wet", 1986.

The Cure

The Cure ist die Band, die eigentlich immer dabei war. 1986 kaufte ich mir die Kassettenversion von "Standing on a beach - the singles", das gefiel mir damals, weil es nicht so prollig war wie Punk, nicht so kitschig wie Wave, das ging ins Ohr und blieb da. The Cure wurden größer und erfolgreicher, sie wurden poppiger und sperriger, sie wurden nach und nach irrelevant, aber sie wurden nie blöde. Sie machten wuchtige Platten wie "Disintegration" (1989), sie machten Ausflüge in den Rocksumpf wie "Wish" (1992) und "The Cure" (2004), sie leisteten sich mit "Wild mood swings" (1996) auch einen echten Totalausfall an Kreativität, der aber dennoch ein, zwei schöne Songs beinhaltete, weswegen mir die Band auch damals nicht endgültig verleidet wurde. Nach und nach entwickelten The Cure Humor, das machte es leichter, schwächere Alben zu verzeihen - die konnten ja selbst darüber lachen. Ohnehin habe ich durch The Cure gelernt, was für ein unglaubliches Souveränitätsplus man durch Ironie und Humor bekommt. Ist alles nicht so schlimm, doch, in Wahrheit ist alles noch viel schlimmer, man kann eigentlich nur noch darüber lachen. Lachen und weinen.

Im Laufe der Zeit gefielen mir die poppigen, schrägen, zwiespältigen Cure immer besser als die düsteren, wuchtigen Cure, da ist mein Empfinden anders als das der meisten Fans (und wohl auch der Band selbst). Nur noch selten höre ich heute "Disintegration" oder "Pornography" (1982). Aber was ich immer noch liebe: "Kiss me kiss me kiss me" (1987), eine überbordende CD voller Lebensfreude und Todessehnsucht, Sex und Körperangst, Fleisch und Kopf. Von der kommt auch der erste Clip auf diesem Blog: The Cure mit Catch.

Aus der Bandschublade

Die Bandschublade war einmal ein Musikblog. Es ging um Bands, die mir einmal wichtig waren. Bands, die ich vergessen habe. Bands, die mir ein bisschen peinlich sind. Bands, zu denen ich grundsätzlich mal etwas sagen wollte. Bands, die ich heute immer noch gerne höre. Die Bandschublade ist heute: Ein Blog über alles und jedes. Ein Blog über Kunst und Kultur. Ein Blog über Politik. Ein Blog über das Leben in der Stadt. Ein Blog über mich und dich und uns. Und auch ein Musikblog, immer noch. Kommentare sind im Rahmen der üblichen Freundlichkeitsgepflogenheiten erwünscht, natürlich.

Der Autor

Falk Schreiber, Kulturredakteur, Hamburg / Kontakt: falk (dot) schreiber (at) gmx (dot) net / Mehr im Web: Xing, Facebook und Myspace

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